Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation Cloud Services bei EuroCloud Deutschland_eco e.V.
Unvorhersehbare Ereignisse agiler parieren, um Wertschöpfungsverbünde zu stabilisieren und Lieferketten zu sichern – wo Covid-19 die Schwächen im Produktionsbetrieb aufdeckt, weist künstliche Intelligenz den Weg zur Lösung. Wie SPAICER auch den Industrie-Service resilienter macht.
Süßigkeiten, Spielwaren und Bücher zählen laut Statista.de zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken der Deutschen. Was Internet-Shops freut, stellt Lieferdienste auf eine harte Probe. Rund um den Globus fordert das Coronavirus Transportketten heraus. Ketten, die sonst präzise aufeinander abgestimmt waren, aber nun aus dem Takt geraten sind. Die Ursachen sind vielschichtig. Haben Fabriken während der Pandemie ihre Kapazitäten reduziert, läuft der Motor der Weltwirtschaft überall und gleichzeitig wieder an. Nicht nur die plötzliche Nachfrage überfordert die Hersteller:innen, sondern auch die Komplexität vieler Fertigungsverfahren: Um beispielsweise Halbleiter zu erzeugen, müssen mehr als 1.000 Schritte ineinandergreifen. Prozesse wie diese laufen nicht über Nacht wieder an, zumal hier ebenfalls benötigte Vorprodukte fehlen. Sieben von zehn Firmen klagen laut ifo Institut über derartige Engpässe – Tendenz steigend.
Nicht nur Großindustrie betroffen
Die Folgen sind überall spürbar. Konnte die deutsche Industrie im Frühjahr 2021 noch Erfolge feiern, sammelt sie laut statistischem Bundesamt im August 7,7 Prozent weniger Aufträge ein als noch im Vormonat. Die Probleme treffen dabei nicht nur die Großindustrie, sondern auch jeden kleinen Betrieb in Deutschland. Beispiel Rheinland-Pfalz: „Seit vier Monaten wartet Finn Schmid aus der Nähe von Neuwied auf ein Ersatzteil für seinen Mercedes. Und genauso lange steht das Auto in der Werkstatt. Der Grund: Ein neuer Turbolader für sein Auto ist einfach nicht lieferbar“, heißt es in einer Programmankündigung des SWR. Nicht anders in Nordrhein-Westfalen: „Fahrradhändler Raimund Gerwing sieht in diesen Tagen Licht und Schatten. Die Kauflust seiner Kunden ist so groß wie noch nie. Gleichzeitig kann er aber nicht jeden der Wünsche erfüllen, denn viele Räder sind überhaupt nicht verfügbar“, schreibt tagesschau.de.
KI macht Liefernetzwerke resilienter
Unvorhersehbare Ereignisse agiler parieren, um Wertschöpfungsverbünde zu stabilisieren und Lieferketten zu sichern – wo Covid-19 die Schwächen im Produktionsbetrieb aufdeckt, weist künstliche Intelligenz (KI) den Weg zur Lösung. SPAICER – kurz für „Skalierbare adaptive Produktionssysteme durch KI-basierte Resilienzoptimierung“ – arbeitet daran, Transport- und Fertigungsnetzwerke mit KI resilienter zu machen. Dazu entwickelt das Projekt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ein Rahmenmodell und so genannte Smart Resilience Services (SRS), die sich kollaborativ und niedrigschwellig einsetzen lassen. Damit sollen produzierende Unternehmen die eigene Resilienz über KI managen können, um sich rascher auf disruptive Ereignisse einzustellen.
Störungen frühzeitig erkennen
Wo das dieser Tage besonders gefragt ist: In der Just-in-time-Produktion lassen sich Firmen Bauteile und Rohstoffe immer so liefern, dass sie gerade rechtzeitig im Werk ankommen, um sie direkt zu verarbeiten. Was zwar Lagerkosten spart, erweist sich aber genau dann als problematisch, wenn Transporte wie gegenwärtig stocken. Zusammen mit Partner:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft will SPAICER die Zukunft berechenbarer und Risiken beherrschbar machen: „Im Projekt (…) entwickeln sie ein neues Datensystem, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Unternehmen in die Lage versetzt, potenzielle Störungen in der Produktion frühzeitig zu erkennen und bestmöglich darauf zu reagieren“, schreibt industrie.de, das Industrie-4.0-Portal des Konradin-Verlags.
Geschäftsbetrieb über KI sichern
Egal, ob Nachfragetrends, Rohstoffpreise oder politische Entwicklungen – die smarten Algorithmen von SPAICER verarbeiten kontinuierlich Daten, um beispielsweise Lieferausfälle zu prognostizieren. „Mögliche Handlungsoptionen (…) wären etwa, das Lieferanten-Netzwerk zu erweitern, das Auftragsvolumen zu optimieren, die Produktion auf mehr Standorte zu verteilen oder etwa Lagerbestände anzupassen“, erklärt sagt Wolfgang Maaß vom DFKI auf industrie.de. Je nach Situation lassen sich Lieferketten dann rechtzeitig stabilisieren.
Schäden, Stromausfälle, Krankheiten: Störungen sind allgegenwärtig
„Störungen sind in der Produktion allgegenwärtig“, heißt es auf spaicer.de: „Sie betreffen die Versorgung mit Werkstoffen unzureichender Qualität, das Austreten von Schmierstoffleitungen, Schäden an Maschinen oder Werkzeugen, Stromausfälle oder Überlastung und Krankheiten von Mitarbeitern.“ Und egal, ob vorhersehbar oder aus heiterem Himmel: Wer resilienter werden will, der muss Störpotentiale und Trends frühzeitig erkennen. Zum einen, um darauf zu reagieren, und zum anderen, um daraus für die Zukunft zu lernen. So betrachtet SPAICER Resilienz auf mehreren Ebenen. Nicht nur einzelne Maschinen, sondern auch Anlagenverbünde in einer Fabrik und übergreifend verflochtene Industrienetzwerke möchte das Projekt über KI robuster absichern. Das Ziel: Eine Plattform, über die sich KI-Service-Bausteine wiederverwenden lassen. Zudem soll die Plattform konkrete Vorschläge liefern, wie sich die Unternehmen im Falle des Falles verhalten können. Service-Meister arbeitet eng mit SPAICER zusammen. Schließlich sind stabile Lieferketten dort gefragt, wo Firmen auf Ersatzteile angewiesen sind. Beide Projekte gingen aus dem KI-Innovationswettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Der eco – Verband der Internetwirtschaft ist als Leiter des Service-Meister-Konsortiums assoziierter Partner bei SPAICER.
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Bildnachweis: iStock-543194530