Nils Klute vom eco Verband führte das folgende Interview mit Jörg Bienert.
Unternehmen fehlt häufig der Überblick über ihre Datenlandschaft. Für Abhilfe sorgt vor allem eine klare Datenstrategie, sagt Jörg Bienert, Vorsitzender beim KI Bundesverband und Partner bei der Data Science Beratung Alexander Thamm. Wie man mit Daten Mehrwert erzeugen kann. Und welche Rolle Daten im Projekt Service-Meister spielen.
Herr Bienert, warum brauchen Unternehmer eine Datenstrategie?
Daten sind ein zentrales Asset von Unternehmen. Über die gesamte Wertschöpfungskette werden Daten generiert, die einen enormen Wert darstellen können. Dieser wird aktuell aber nur unzureichend genutzt. Daten werden nicht ausgewertet oder nur in Silos verarbeitet, wodurch ein unternehmensübergreifender Kontext fehlt. Um Daten im Unternehmen effizient und ganzheitlich zu nutzen, ist die Erstellung einer umfassenden, unternehmensweiten Datenstrategie erforderlich. Bisher wurde das Thema eher stiefmütterlich und oft nur in Insel-Lösungen angegangen.
Woran liegt das?
Einzelne Unternehmensbereiche arbeiten mit unterschiedlichen Systemen, speichern Daten in nicht abgestimmten Formaten und übergreifende Betrachtungsweisen fehlen. Firmen fehlt der Überblick über die eigene Informationslandschaft. Zu oft wird der Besitz von Daten und Informationen noch mit Wissen und Macht gleichgesetzt, wodurch die Bereitschaft, Daten offen zu teilen, gering ist. Wir brauchen über alle Ebenen eine datengetriebene, unternehmerische Denkweise.
Und wie lässt sich die Denkweise finden?
Teil einer Datenstrategie kann zum Beispiel sein, dass Daten grundsätzlich unternehmensintern frei zugänglich sein sollten. Ausnahmen müssen von den Data-Ownern entsprechend begründet werden. Gleichzeitig sollten Verrechnungssysteme etabliert werden, falls die Erstellung von Daten in einer Abteilung aufwändig und mit hohen Kosten verbunden ist, an denen sich die anderen, diese Daten nutzenden Abteilungen beteiligen sollten.
Wie sollten Unternehmer vorgehen?
Die Firmen brauchen zuerst Transparenz. Welche Daten sammelt man eigentlich? Wo sind sie gespeichert? Und in welcher Qualität liegen sie überhaupt vor? Wer seine Daten und Datenbanken in einem Katalog dokumentiert, macht sie zugänglich. Dann geht es um Fragen der Data Governance. Also darum, Prozesse zu definieren, wie sich beispielsweise Daten nutzen und gleichzeitig schützen lassen.
Datenkataloge und Data Governance – wie setzen Anwender das am besten um?
Schritt für Schritt! In den letzten Jahren wurde versucht, Daten in aufwändigen Projekte in Data Lakes zu sammeln. Diese Projekte wurden sehr komplex, langwierig und teuer, haben aber meist keinen direkten Nutzen eingebracht, da die darauf basierenden Anwendungen hinter die Fertigstellung des Lakes zurückgestellt wurden. Es empfiehlt sich daher eine emergente Datenstrategie, die Rahmenbedingungen, Regeln und Strukturen festlegt. Dazu passend lassen sich dann Kataloge, Speichersysteme und Technologien für die jeweiligen Use Cases aufbauen.
Wie sehen die Use Cases eigentlich aus?
Die Anzahl der Use Cases ist unbegrenzt, erstreckt sich über alle Elemente der Wertschöpfungskette und alle Branchen. Bestehende Auswertungen sollten im Rahmen der Datenstrategie soweit möglichst vereinheitlicht werden und durch zusätzliche unternehmensübergreifenden, horizontale Analysen ergänzt werden. Zudem bieten sich auf Basis der Künstlichen Intelligenz jetzt vollkommen neue Möglichkeiten für die Analyse und Verarbeitung von Daten an.
Wodurch unterscheiden sich Digitalisierungs- und Datenstrategie voneinander?
Das eine geht aus dem anderen hervor. Also aus der Unternehmens- folgt zuerst die Digitalisierungs- und dann die Datenstrategie. So aufgebaut greift alles zielgerichtet ineinander. Während die Digitalisierungsstrategie den Einsatz von Informationstechnik zur Prozessoptimierung und Gestaltung von neuen Geschäftsmodellen in allen Facetten betrachtet, fokussiert sich die Datenstrategie darauf, wie die vorhandenen oder zusätzlich erfassbaren Daten hierzu beitragen können.
Wie werden aus Daten am Ende Produkte?
Dafür braucht es Experten. Datenwissenschaftler gewinnen aus Sensorwerten, Messergebnissen und Kennzahlen unternehmerisch relevante Informationen. In ihre Arbeit bringen sie unterschiedliche Kompetenzen ein. So geht es nicht nur um Informatik, Softwaretools, Programmiersprachen, sondern auch um Mathematik, Statistik, Betriebswirtschaft und schließlich maschinelles Lernen. Das alles ist erforderlich, um aus Datenseen mit intelligenten Algorithmen Informationen zu schürfen, die digitale Produkte und Geschäftsmodelle florieren lassen.
Und welche Rolle spielt das im Projekt Service-Meister?
Eine sehr große! Schließlich sollen sich Daten aus dem Industrieservice in intelligenten Anwendungen für Techniker nutzen lassen. Damit KI-Applikationen realisierbar sind, bedarf es einer Datenstrategie, die sich an den Zielen der Unternehmen und Use Cases orientiert. Nur so werden etwa aus Produkt-, Verschleiß-, Maschinen- und Kundendaten am Ende digitale Werkzeuge für den technischen Service im Zeitalter der Industrie 4.0.
Wir danken für das Gespräch!
***Als Assoziierter Partner unterstützt der KI Bundesverband das KI-Projekt Service-Meister. Der Verband setzt sich aus mehr als 220 innovativen Unternehmen, KMUs, Startups und Experten zusammen, bei denen die Entwicklung und Anwendung von Technologien auf Basis von künstlicher Intelligenz zentraler Geschäftszweck ist. Wenn auch Sie das Projekt als Assoziierter Partner unterstützen möchten, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme unter info(at)servicemeister.org.
Bleiben Sie mit unserem Newsletter zum Thema KI und zum Projekt Service-Meister auf dem laufenden.