Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation Cloud Services bei EuroCloud Deutschland_eco e.V.
Wer mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet, der muss um ihre Fähigkeiten, Eigenschaften und Grenzen wissen. Warum maschinelle Entscheidungen menschliche Erfahrung brauchen. Und wie Service-Meister jetzt Techniker:innen aus dem Mittelstand für KI weiterbildet.
Computer sollten ausfallen, Atomkraftwerke außer Kontrolle geraten und sogar Bürgerkriege ausbrechen – das Jahr-2000-Problem stellte die IT auf die Probe. In die damalige Software waren Jahreszahlen üblicherweise zweistellig eingeschrieben. Ein Umstand, der sich auf die Zeit zurückführen lässt, in der Daten auf Löchern in Kartons eingestanzt waren: Auf den sogenannten Lochkarten war Speicherplatz eng und Raum – wie eben bei einer vierstelligen Jahreszahl – einzusparen. Zwar fielen die realen Folgen des Y2K-Bugs überschaubar aus. Aber: Die Art und Weise, wie Menschen ihre Realität in Maschinen einschreiben, verursacht heute anderswo Probleme.
ChatGPT: Alleskönner und Meister der Diskriminierung zugleich
Fragen beantworten, Gedichte schreiben oder komplette Abschlussarbeiten anfertigen – KI-Anwendungen wie ChatGPT sind nicht nur wahre Alleskönner, sondern zugleich Meister der Diskriminierung. Woran das liegt? Eine KI wie ChatGPT zieht ihr Wissen über die Wirklichkeit aus frei zugänglichen und öffentlichen Texten. Texte, in die Menschen ihre individuelle und voreingenommene Sicht auf die Welt eingeschrieben haben. Die Folge: Egal, ob Vorbehalte gegenüber Frauen, Ausländern oder Älteren – Vorurteile wie diese schleichen sich, gewissermaßen eingeprägt wie auf einer Lochkarte, in die Antworten des Bots ein.
Daniel Munro von der kanadischen Munk School hat die Probe aufs Exempel gemacht. Dem Wissenschaftler reichte eine Frage aus, um auf Twitter vorzuführen, wie voreingenommen ChatGPT von männlicher, westlicher Kultur ist. Nicht anders verhält es sich mit Unwahrheiten, die die KI für bare Münze ausgibt und die vielleicht mit dazu führten, dass Manager und Unternehmer wie Elon Musk kürzlich vor den Risiken der Technologie warnten.
KI-Projekt Service-Meister: Menschliche Erfahrungen in smarte Anwendungen einschließen
Fest steht: Wer mit KI arbeitet, der muss um ihre Fähigkeiten, Eigenschaften und Begrenzungen wissen. Nicht, um die Technologie auszuschließen, sondern – ganz im Gegenteil – menschliche Erfahrungen in maschinelle Entscheidungen einzuschließen. Warum das notwendig ist, zeigt Service-Meister. Um den Industrie-Service mit KI auf die nächste Evolutionsstufe zu heben, integriert das Projekt seit 2020 menschliches Know-how in smarte Anwendungen. Digitale Ratgeber, Augmented-Reality-Anwendungen, Apps oder Chatbots sollen Meisterwissen skalierbar machen. Und das keineswegs, um Fachkräfte zu ersetzen, sondern gerade geringer ausgebildete Techniker:innen für komplexe Reparaturen zu befähigen. Das Ziel: Ein offenes Service-Ökosystem, das Wissenslücken schließt und den deutschen Mittelstand mit KI-Tools erfolgreich und wettbewerbsfähig macht.
Online-Weiterbildungen vermitteln KI-Hintergrundwissen für Unternehmen
Was es braucht, damit sich menschliche und künstliche Intelligenz optimal ergänzen: Zum einen das nötige Verständnis, wie sie sich kombinieren und anwenden lassen. Damit das kleinen, mittleren und mittelständischen Unternehmen immer besser gelingt, planen diese ihren KI-Einstieg beispielsweise über die Website von Service-Meister. Und zum anderen braucht es das nötige Hintergrundwissen zur Technologie, ihren Chancen und Grenzen im Service-Geschäft.
Genau dafür hat Service-Meister jetzt ein eigenes Weiterbildungsangebot gestartet. In mehreren, frei verfügbaren Lernformaten qualifiziert das Projekt Servicemitarbeitende in puncto KI. Zum Beispiel zeigt ein E-Learning-Kurs auf dem KI-Campus die Möglichkeiten auf. Das Online-Angebot lässt sich im eigenen Tempo nutzen und erklärt etwa, wie smarte KI-Chatbots Techniker:innen bei Reparaturen unterstützen. Genauso das Train-the-Trainer-Programm: Online lassen sich KI-Spezialist:innen für den Dienstleistungsbereich weiterbilden, um Know-how in eigenen Kursen an den Mittelstand weiterzugeben. Basis der Lernangebote ist ein Open Source Curriculum von Service-Meister, das Bildungseinrichtungen kostenlos nutzen können.
KI-Know-how: Die richtigen Maßnahmen rechtzeitig ergreifen können
Wissen gewinnen und anwenden – und das nicht nur, weil es technologisch erforderlich, sondern ökonomisch notwendig ist: Setzen Gesamtwirtschaft und Mittelstand KI flächendeckend ein, lässt sich, laut Studie des eco – Verband der Internetwirtschaft ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von über 13 Prozent bis 2025 (im Vergleich zu 2019) realisieren. Das entspricht einem Gesamtpotenzial von rund 488 Milliarden Euro. Egal, ob bei smarten Algorithmen oder gestanzten Lochkarten – Risiken erkennen und die richtigen Maßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können, zahlt sich in beiden Fällen aus. Zwar fielen in der Nacht des Jahrtausendwechsels Anzeigen in japanischen Kernkraftwerken oder amerikanische Spielautomaten aus, aber insgesamt blieb der Abend weitgehend folgenlos.
Bildnachweis: iStock-1286627625
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