Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation Cloud Services bei EuroCloud Deutschland_eco e.V.
Chatbots, die ihr Know-how eigenständig erweitern – IT-Dienstleister Unisys setzt dazu auf künstliche Intelligenz (KI) und Gaia-X. Über das vernetzte und verteilte Ökosystem tauschen digitale Assistenten Daten und Wissen aus, wie Chatbots über Gaia-X miteinander ins Gespräch kommen.
Möbel aufbauen, Ersatzteile bestellen und sich informieren – von 2005 bis 2015 half Anna von Ikea online im Kund:innenservice weiter. Die digitale Assistentin beantwortete Fragen rund um Besteckkörbe, Regale oder Küchensysteme. Zwar bleibt umstritten, wie hilfreich Anna dabei wirklich war – teils waren die regelbasierten Dialoge recht sperrig. Als sicher dagegen gilt: Mit dem Chatbot war das Unternehmen seiner Zeit weit voraus. Heute mischen die Nachfahr:innen der virtuellen Schwedin viele Wohnzimmer und Büros auf: Dabei arbeiten sich Google Assistant oder Amazon Alexa nicht mehr länger durch FAQ-Listen wie Anna. Sie entwickeln sich über KI dynamisch weiter.
Datensilos bremsen KI-Entwicklung im Mittelstand aus
KI hat die Chatbots von heute auf die nächste Ebene gehievt. Mit der Menge an Daten, die Algorithmen über neuronale Netze und maschinelles Lernen verarbeiten können, verbessert sich die Qualität der Anwendungen – und das kontinuierlich. Auch Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben die Chancen der Technologie für sich erkannt. Und auch hier sollen Chatbots (wie Anna einst bei Ikea) Helpdesks im Service entlasten. Aber oft bleiben die KI-Applikationen hinter ihren Möglichkeiten zurück. „Wer Algorithmen nur über das eigene Datensilo trainiert, reizt das Potenzial nicht aus“, sagt Christian Schieb von Unisys.
Chatbots über Gaia-X voneinander lernen lassen
Unisys unterstützt Unternehmen und öffentliche Verwaltungen in der digitalen Transformation. Schieb arbeitet als Business Development Manager für den IT-Dienstleister an Zukunftsthemen. „Wir möchten Chatbots über Gaia-X miteinander ins Gespräch bringen“, sagt Schieb. Die Idee: Wenn Unternehmen ihre Daten über Gaia-X untereinander teilen, ermöglicht dies der KI der Tickets Insight Engine, die Algorithmen qualitativer zu trainieren. Dieses Wissen können die digitalen Assistenten dann noch selbst über das verteilte und vernetzte Ökosystem austauschen: Chatbots lernen gewissermaßen voneinander.
KI im Service: Wissen teilen, Helpdesks firmenübergreifend entlasten
Egal, ob defekte Schalter, ausgefallene Motoren oder kaputte Elektronik: „Unternehmen analysieren ihre Servicetickets mit KI, um Helpdesks bei typischen Wartungsfällen zu unterstützen“, sagt Schieb. Zwar trainieren die Unternehmen ihre KI-Modelle mit den Daten aus den eigenen Silos. Aber: „Die selbstlernenden Algorithmen geben ihr Wissen über Gaia-X weiter“, sagt Schieb: „Rohdaten, aggregierte Informationen und trainierte KI-Modelle lassen sich souverän und selbstbestimmt austauschen.“ Der Vorteil: Chatbots werden von selbst intelligenter – und das in allen Unternehmen, die ihre KI-Anwendungen so über die dezentrale Architektur von Gaia-X teilen.
Serviceexpertise digitalisieren und nutzbar machen
Egal, ob Weißware, Investitionsgüter oder die Firmen-IT: „Je mehr Unternehmen sich in das System einbringen, desto mehr profitieren alle davon“, sagt Schieb. „Teilweise überschneiden sich die Servicedomänen, was weitere Transfers möglich macht.“ Heißt konkret: KI-Know-how lässt sich so über Branchen hinweg austauschen. Und wer sein Service-Know-how mit anderen abgleicht, verbessert nicht nur die Qualität der Algorithmen, sondern erkennt Lücken im eigenen Wissensbestand: „Unternehmen müssen ihr gesamtes Servicewissen digitalisieren und über KI nutzbar machen“, sagt Schieb: „Und das nicht zuletzt auch, um Herausforderungen zu lösen, die sich auch aus dem Fachkräftemangel oder dem demografischen Wandel ergeben.“
Gaia-X muss Vorbehalte abbauen und Vertrauen gewinnen
KI-Chatbots, die Daten und Know-how über Gaia-X eigenständig weitergeben: „Je nach Branche sind die Bedenken gegen derartige Anwendungen unterschiedlich stark ausgeprägt“, sagt Robert Kamrau, der bei Unisys Deutschland als Head of Business Unit das Business Process Solutions (BPS) Lösungsgeschäft leitet und die go to Market Aktivitäten Cloud & Infrastruktur führt. Das Problem: „Firmen fürchten um ihre eigenen Interessen und möchten diese vor dem Wettbewerb geschützt wissen“, sagt Michael Jochem, Mitglied im Vorstand bei Gaia-X im Interview mit EuroCloud Deutschland. Gaia-X müsse Vertrauen gewinnen, Vorbehalte abbauen und sich dazu selbst besser erklären. Denn: „Wer Gaia-X als europäisches Cloud-Angebot und Gegenpol zu den Hyperscalern sieht, ist auf dem Holzweg“, sagt Kamrau: „Wer dagegen erkannt hat, dass Gaia-X die großen Public-Cloud-Angebote selbst wie Datensilos aussehen lässt, der hat einen wesentlichen Vorteil erfasst.
Use Case Helpdesk Chatbot mit Ticket Insight Engine
KI-Chancen übergreifend ausschöpfen
Was Unternehmen auf den Geschmack bringen kann? Zum einen übergreifende Use Cases, wie sie sich für Chatbots im Service überall in der Wirtschaft bieten. Und zum anderen Leuchtturmprojekte, wie sie Service-Meister über seine Schnellbootprojekte realisiert. „In KMU und Mittelstand zeigt sich großes Potenzial für KI“, sagt Schieb: „Gerade dann, wenn die Anwender:innen in ihren Use Cases kooperieren, um die Chancen vernetzter Datenökosysteme kollaborativ auszuschöpfen.“ Egal, ob für die digitale Gesundheitswirtschaft, die öffentliche Verwaltung, die Polizeiarbeit, das Bankwesen oder den Industrieservice: „Überall dort, wo sich Prozesse, Aufgaben und Herausforderungen ähneln, bieten sich KI-Transfers an“, sagt Kamrau: „Wenn die Wirtschaft ihre Chancen erkennt, lassen sich nicht nur Datensilos sprengen, sondern auch KI-Anwendungen deutlich weiterentwickeln.“ Nicht anders im Projekt Service-Meister: Die Algorithmen, mit denen das Konsortium Servicetickets auswertet, hat die Beuth Hochschule für Technik Berlin ursprünglich auf Arztbriefe trainiert. Was die Behandlung von Patient:innen beschleunigt, erleichtert so auch die Reparatur von Maschinen im Industrieservice.
Zur Person
Christian Schieb ist bei Unisys als Business Development Manager für das GoTo Market von Business Process Solutions Lösungen in der DACH Region zuständig. In seiner Rolle berät er Organisationen mit innovativen Lösungsansätzen unter Einbeziehung neuer technologischer Möglichkeiten im Rahmen der digitalen Transformation von Organisationen.
Robert Kamrau verantwortet bei Unisys Deutschland als Head of Business Unit Business Process Solutions (BPS) das Lösungsgeschäft und die go to Market Aktivitäten Cloud & Infrastruktur.
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