UX4AI: Neue Spielregeln für Mensch und Maschine

KI Service - Industrie 4.0

Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation Cloud Services beim EuroCloud Deutschland_eco e.V.

Das Zusammenspiel von menschlicher und künstlicher Intelligenz (KI) braucht Regeln. Wie sich dazu Konzepte aus User Experience (UX), Usability und User-Interface-Design (UI) auf KI-Systeme übertragen lassen. Und was Servicetechniker dabei von Raumfahrern lernen können.

Am 31. Mai 2020 schrieb Space-X Geschichte. Zum ersten Mal beförderte ein privates Unternehmen Menschen in den Weltraum. Das neuartige Dragon-Raumschiff fliegt dabei weitgehend autonom und lässt sich über Touch-Displays steuern. Wo NASA-Astronauten im Space-Shuttle noch Knöpfe drückten, Schalter bedienten und an Hebeln zogen, zeigen die Bildschirme im Raumschiff von Space-X aufgeräumte Statusinformationen und zur jeweiligen Flugphase passende Handlungsoptionen an. Kommandos lassen sich per Fingertipp erteilen. Ob Start, Landung oder Andockmanöver – KI-unterstützt reist die smarte Kapsel mit ihrer Crew durch den Weltraum.

UX und UI regeln KI

Das Beispiel zeigt: „Die Schnittstelle von Mensch und Maschine muss heute kontinuierlich neu definiert werden“, sagt PD Dr. Fred Jopp Head of Industrial Project Management beim Service-Meister-Konsortialpartner USU Software AG. „Und das nicht nur, was das Design von Nutzeroberflächen betrifft, sondern auch, wie KI-Systeme mit uns interagieren.“ Wie eine mögliche Lösung aussehen kann? „Konzepte aus User Experience (UX), Usability und User-Interface-Design (UI) lassen sich auf autonome, intelligente Systeme übertragen, um das Zusammenspiel zu regeln.“ Denn: „Bei UX und UI geht es um viel mehr als nur darum, Softwareoberflächen nutzerfreundlich zu gestalten.“

So zielt UX4AI beispielsweise darauf ab, dass Menschen jederzeit nachvollziehen können müssen, wie eine smarte Anwendung überhaupt funktioniert und arbeitet. „Was kann ein System, mit welcher Qualität liefert es ab, was kann es nicht und wofür ist es gebaut“, sagt Jopp. „Anwendungen, in denen KI steckt, müssen das deutlich machen.“ Wie das zum Beispiel aussehen kann? Egal, ob Datenmodelle, komplexe neuronale Netze oder Algorithmen – so einfach, wie Energielabel aufzeigen, wieviel Strom Kühlschränke, Gefriertruhen oder Wäschetrockner verbrauchen, so leicht müssen sich auch intelligente Systeme den Anwendern erklären: „Transparente Randbedingungen machen eine KI vertrauensvoll.“

KI muss Menschen in Entscheidungen einbeziehen

Blitzschlag, Triebwerksausfall oder Systemdefekt – droht Unheil während der autonomen Reise im Dragon-Raumschiff, dann behalten die Astronauten trotz aller smarten Automatisierung immer die Kontrolle. Die KI-Systeme unterstützen die Crew, schlagen Korrekturen und Notmanöver vor, überlassen die Entscheidung in vielen Fällen aber dem Menschen. „Nicht anders muss es bei jedem KI-System in der Wirtschaft sein“, sagt Jopp. Denn ob Zweifel, Dilemma oder ethischer Konflikt – KI muss den Nutzer in Entscheidungen einbeziehen. „Dazu müssen die Bereiche, in denen eine KI autonom handeln darf, eindeutig definiert und transparent sein“, sagt Jopp.

Nützlich und nutzerfreundlich

Was darüber hinaus für Weltraum und Werkshalle gleichermaßen gilt? Ob digitale Ratgeber, smarte Chatbots, Augmented Reality-Anwendungen und KI-Apps: „Nützlich sind KI-Systeme nur dann, wenn sie absolut nutzerfreundlich sind“, sagt Jopp. Auch im technischen Service kommt es darauf an, smarte Algorithmen so einzusetzen, dass sie Menschen tatsächlich unterstützen und aktiv in Entscheidungen einbeziehen. So bereitet KI im Service beispielsweise Wartungseinsätze vor, lässt sich die Arbeitspläne aber von einem Menschen autorisieren. Nicht anders bei der Diagnose von Störungen: KI analysiert die Protokolldaten von Anlagen, um Zusammenhänge zu erkennen und Maschinen- und Softwareprobleme über aufgeräumte Dashboards leicht nachvollziehbar zu visualisieren. „Fehler lassen sich dabei einfach erkennen und Ursachen bestimmen, ohne dass es dafür eines KI-Experten bedarf“, sagt Jopp.

Berufsbild Kontrolleur für KI-Systeme

KI-Anwendungen verstehen, Ergebnisse interpretieren, Datenmodelle durchblicken und unterschiedliche Netzwerkstrukturen interaktiv bewerten – komplexe Anforderungen, für die Firmen speziell ausgebildete Mitarbeiter benötigen. „In Zukunft brauchen wir nicht nur Datenwissenschaftler und Softwareentwickler, sondern gewissermaßen auch Kontrolleure für KI-Systeme“, sagt Jopp. Diese müssen KI-Systeme vollständig durchschauen und über ihren Einsatz im Unternehmen entscheiden können. Denn fest steht: „Ganz egal, ob wir KI-unterstützt ins Weltall fliegen oder Anlagen im Industrieservice warten: Mensch und smarte Maschine müssen sich an nachvollziehbare Spielregeln halten, damit alles reibungslos und sicher läuft“, sagt Jopp.


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Über Nils Klute
Nils Klute ist IT-Fachredakteur. Egal, ob für IT-Medien wie heise.de, zdnet.de und silicon.de, für IT-Unternehmen wie SAP, T-Systems und Sony oder für B2B-Agenturen wie Palmer Hargreaves, Pleon Kohtes Klewes (heute Ketchum) und rheinfaktor – Nils Klute schreibt und spricht seit mehr als 15 Jahren über die Themen, die die IT- und Digitalwirtschaft bewegen. Von der Datenwirtschaft mit Gaia-X über Künstliche Intelligenz im Mittelstand bis hin zu Cloud-Native-Technologien - als Projektmanager Kommunikation Cloud Services ist er bei EuroCloud Deutschland_eco e.V. für das Content Marketing rund um die Themen des Verbands verantwortlich. Zudem unterstützt er KI-Projekte wie Service-Meister und Initiativen wie EuroCloud Native, Channel2Cloud oder EuroCloud Next Leaders mit Blogbeiträgen, Namensartikeln, Interviews, Pressemitteilungen, Konzepten und Strategien. Beruflich wie privat ist er auf LinkedIn und Twitter unterwegs.